DS Overstolz
DS Overstolz

Vorbild

Köln im Jahre 1890: Die Preußisch-Rheinische Damfpschiffahrtsgesellschaft (PRDG), die seit 1827 den Liniendienst auf der Mittelrheinstrecke bedient, stellt zwei neue Dampfschiffe in Dienst: Die Lohengrin und die Overstolz wurden bei Smit & Zoon in Kinderdijk in den Niederlanden gebaut und besaßen Maschinen des schweizer Herstellers Escher-Wyss aus Zürich. Diese Maschinen lieferten mit ihren zwei Zylindern 700 PS und trieben die 68 Meter langen Schiffe mit Hilfe von Schaufelrädern mit je 9 Schaufeln an, die über Exzenter angesteuert wurden. Am 16. Juli 1890 begann die festliche Abnahmeprobefahrt von Düsseldorf nach Köln. Am Tag danach wurde das Schiff festlich in Dienst gestellt und dampfte bis Sankt Goar. Viele Ehrengäste waren mit an Bord.
Die PRDG bediente zu dieser Zeit sowohl Fracht als auch Passagiere, die als Touristen selbst aus England anreisten. Die meisten Schiffe waren deshalb für den gemischten Passagier- und Güterdienst ausgelegt. Für die Expressfahrten gab es seit 1867 Dampferpaare für den reinen Personenverkehr. Diese Schiffe sollten nun mit modernen kohlesparenden Neubauten verstärkt werden. Die Overstolz - benannt nach einer Kölner Kaufmannsfamilie - war durchaus ein Prestigebau und wurde des Öfteren auf Werbematerial künstlerisch festgehalten.
Am 18. Juli 1897 nahm das Schiff an einer großen Schiffsparade mit 60 Dampfern in Köln teil. An Bord war Kaiser Wilhelm II. nebst Kaiserin Auguste Victoria. Schon am 31. August folgte die nächste Festfahrt mit vielen Ehrengästen anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Koblenz am Deutschen Eck. Bei derartigen Festfahrten wurden viele große Flaggen am Oberdeck angebracht.
Nach der Jahrhundertwende wurde die Overstolz modernisiert. Nach und nach wurden die offenen Decks mit Glas verkleidet, um den Komfort zu erhöhen. In der Nacht zum 2. März 1941 wurde es das erste Kriegsopfer für die PRDG. In Köln-Deutz wurde es durch einen Bombentreffer versenkt. Das Inventar wurde geborgen und im November folgte das abgetrennte Hinterschiff, das sofort verschrottet wurde. Im Dezember 1942 wurde das zum Totalschaden erklärte Schiff vollends geborgen und bis auf wenige brauchbare Teile verschrottet. Ein trauriges Ende für den ehemaligen Stolz der Flotte.
Den ersten Weltkrieg überlebte der Dampfer noch, doch den zweiten Weltkrieg überstand er nicht. In der Nacht auf den 2. März 1941 wurde die Overstolz im Hafen Köln-Deutz durch einen Bombenvolltreffer versenkt und bis 1942 verschrottet.

Modell

Mit dem DS Overstolz baue ich meinen ersten Raddampfer mit echten Patenträdern. Habe ich bei der Concordia noch feste Schaufeln aus Holz, so wollte ich diesmal 'moderne' Schaufelräder aus Metall mit beweglichen Schaufeln nachbilden. Zuerst dachte ich über eine Fertigung aus Messing nach und erwarb mir die ersten Kenntnisse im Umgang mit Metall. Später kam mir die Idee, 3D-Druck anzuwenden.
Man fragt sich ja, ob das Schaufelrad als Antrieb genügt. Nun, man kann damit kein Rennen gewinnen, aber es sieht gut aus und bis jetzt bin ich auch immer ans Ufer gekommen. Natürlich ist die Ruderwirkung nicht so gut wie bei einem Propeller. Das Ruder sollte schön groß sein und man benötigt auf dem See etwas mehr Platz als mit einem Motorboot. In der Rückwärtsfahrt hat das Ruder allerdings kaum eine Wirkung. Die Räder selbst müssen mit etwas Fingerspitzengefühl eingestellt werden. Sie brauchen auf allen Seiten etwas Platz um auch mal mit etwas Treibgut fertig zu werden. Es ist mir schon passiert, dass die Räder blockieren. Dann wird es für den Modellbauer an Land unangenehm.
Zur schönen Optik eines Raddampfers gehört natürlich auch der Rauchgenerator. Ich habe versucht, etwas Rauch in die Radkästen umzuleiten. Leider klappt das nicht so gut, aber wenn mal eine Wolke aus dem Radkasten quillt, dann ist das schon toll. Abends kann ich die Positionslichter einschalten und an Bord hängen ein paar Lampen – realisiert durch flackernde LEDs. Abgerundet wird das Erlebnis durch ein Soundmodul mit verschiedenen Pfeiftönen der Sächsischen Dampfer und mit Musik der Militärkapelle. Zu Kaisers Zeiten war das bestimmt salonfähig.
Etwas schwierig wird es mit einem Flussschiff immer wenn andere Schiffe mit dabei sind, denn Flussschiffe haben nur wenig Freibord und können nicht gut mit Wellen umgehen. Auch das Gleichgewicht ist immer etwas schwierig, denn Dampfer sind relativ hoch für den schmalen Rumpf. Manchmal wünsche ich mir einen ferngesteuerten Trimm. Ansonsten läuft das Modell recht zuverlässig.

Bau

Die Fahrgastschiffe am Rhein sind schon immer meine große Leidenschaft. Dabei achte ich immer auf den vorbildgerechten Antrieb. Bei den sogenannten Patenträdern werden die Schaufeln von einem Exzenter so angesteuert, dass sie möglichst senkrecht ins Wasser tauchen. Das erhöht den Wirkungsgrad und verringert den Verschleiß. Zugegeben, beim Modell stehen diese Gesichtspunkte nicht an erster Stelle und man kann das Spiel der Mechanik auch nur bei genauem Hinsehen an Land erkennen. Für mich war der Einsatz von Exzentern dennoch unbedingt wichtig für den Bau des Raddampfers. Nun kann man sich vorstellen, dass es bei so einem Mechanismus auf hohe Präzision du Festigkeit ankommt. Bei meiner Arbeitsweise mit Holz konnte ich mir einen Erfolg nicht vorstellen. Daher spielte ich mit dem Gedanken, Räder aus Metall herzustellen und freundete mich mit Messing an. Bald erkannte ich, dass ich auch hier auf keinen grünen Zweig kommen werde, also ließ ich das Projekt eine Weile liegen. Schließlich kam mir die Idee, Schaufelräder mit Hilfe des 3D-Drucks herzustellen. Auf einer Fachausstellung kam ich mit Experten ins Gespräch und sie gaben mir ein paar wertvolle Tipps: Zum Beispiel eignen sich die handelsüblichen Einsteigerdrucker nicht für mein Projekt, da sie Schicht auf Schicht Kunststoff verlegen. Beim Schaufelrad liegen viele zu druckende Schichten in freier Luft. Man müsste also Stützkonstrukte planen und das wollte ich nicht. Stattdessen wurde mir die Technik des Sinterns vorgeschlagen. Bei diesem Verfahren verlegt der Drucker Schichten von Kunststoffstaub und verschmilzt die zu druckenden Teile mit dem Laser. Am Ende zieht man das Werkstück aus dem Staub. Mit diesem Verfahren ist jede noch so komplizierte Form möglich. Ich machte mich zu Hause sofort an die Arbeit. Zunächst musste ich ein Programm zur Konstruktion aussuchen. Meine Wahl fiel schließlich auf Blender, weil es eine freie Software mit einer großen Nutzergemeinde ist. Typisch für eine freie Software ist die nicht-intuitive Bedienung. Nach ein paar Tagen kam ich jedoch klar. Nun konnte ich die Räder modellieren. Das Schöne an Schaufelrädern ist, dass man nur ein Segment konstruieren muss. Danach kopiert und dreht man es und schon ist das Rad fertig. Auch die Schaufeln und die Teile für den Exzenter waren schnell konstruiert.
Die fertigen Entwürfe gab ich meinen Kontakten von der Fachausstellung zum Druck und bekam als Antwort ein „oje“ zurück. Die Teile seien doch recht dünn und hier und dort müsste man noch etwas optimieren. Also setzte ich mich wieder hin und zwei Tage später war der zweite Entwurf fertig. Dieser wurde mir auch hergestellt und ein paar Tage verließ ich den Laden mit meinem maßgenauen Rad. Das Werkstück war etwas rauh, aber das ist ein altehrwürdiges Schaufelrad ja auch. Ich war im siebten Himmel. Nun mussten die Teile rot lackiert und miteinander verbunden werden. Da alles beweglich ist, musste ich Schrauben finden. Dem Internet sei Dank fand ich schließlich kleine M0,8-Schrauben mit Sechskantköpfen. Glücklicherweise fand ich auch einen passenden Steckschlüssel. Nun konnte es losgehen. Obwohl die Löcher für die Schrauben im Modell vorgesehen waren musste ich sie nochmal mit 0.6-mm vorbohren. Dann drehte ich vorsichtig die Schrauben ein. Sie bohrten sich brav ihr Gewinde in den Kunststoff. Allerdings muss man etwas aufpassen, denn die Messingschrauben können auch abreißen. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass man die Schrauben nicht so oft nachziehen sollte. Nach ein paar Jahren im Betrieb kann ich aber vermelden, dass die Räder vollkommen wartungsfrei sind. Ich habe nie eine Schraube nachziehen müssen.
Nachdem das Hauptproblem der Räder gelöst war konnte ich mich an den Bau des Schiffsmodells machen. Da Flussschiffe einen flachen Rumpf haben, kann ich es mir immer leicht machen und mit einer Bodenplatte aus Birkensperrholz anfangen, auf der ich einen Rahmen aus Mulitplexholz verklebe. Dann klebe ich ein paar Spanten auf und bringe die Seitenteile an. Das einzig herausfordernde ist das Heck. Dieses stelle ich aus Balsaklötzen her und bringe es erst später in die gewünschte Form. Für die Schaufelräder benötige ich zwei große Spanten, die weit über den Rumpf herausragen. Dazwischen bringe ich einen bogenförmigen Kasten an. Dieser soll verhindern, dass Spritzwasser in das Boot gelangen kann.
Nun war das Hauptdeck an der Reihe. Dieses muss auch mal einen Stoß aushalten und deshalb fertige ich es nicht aus Balsaholz sondern aus Kiefer. Das Hauptdeck kann man auf der gesamten Länge mitsamt den Aufbauten abnehmen. Das ist auf der einen Seite die einfachste Lösung und es erlaubt auch Einsicht in den gesamten Rumpf. Auf der anderen Seite wird das Modell dadurch empfindlich gegen Wellenschlag. Diesen Umstand nehme ich wissend in Kauf. So einen Dampfer bei viel Wellengang zu fahren macht ohnehin keinen Spaß. An Aufbauten ist bei der Overstolz nicht viel zu tun, denn die Salons sind im Unterdeck angeordnet. Auf dem Hauptdeck findet sich viel Platz für Stückgut, die Einhausung für den Kessel, die Radkästen, der Maschinenschacht und ein kleines Häuschen für einen Niedergang. Auf dem Oberdeck konnten die Passagiere flanieren oder sich in den kleinen Rauchsalon zurückziehen. Für mich ist diese Aufgabe sehr schnell mit Hilfe von Balsa und Birkensperrholz erledigt. Bei einer Stellprobe sieht doch schon alles ganz gut aus.
Das Deck wird nun in mühevoller Kleinarbeit mit dünnen Streifen aus Abachiholz beklebt. Danach wird das Deck vorsichtig geschliffen und bekommt mittels Lasur das Aussehen von Eichenbrettern. Die Stützkonstruktion der Overstolz bestand aus stählernen H-Trägern, die ich aus Messingteilen nachbilde. Danach klebe ich Spanten aus den dünnen Abachistreifen ein. Obenauf verlege ich weitere Streifen für das Deck. Ja, diesmal wird alles peinlich genau und vorbildgetreu angefertigt. Ob sich das lohnt, muss jeder selbst beantworten.
Auf dem Oberdeck platziere ich ein paar Bänke – ebenfalls aus dem 3D-Drucker. Schlussendlich kommt noch eine Zeltkonstruktion aus Messingstäben obendrauf. Diese verlöte ich und setze eine Kunststofffolie mit einem rauen Profil obendrauf. Die Seiten schneide ich mit einer Zickzack-Schere ab und fertig ist das Sonnensegel!
Die Radkästen sind senkrecht mit Abachiholz beklebt. Der Hingucker sind natürlich die prächtigen Radspiegel. Diese habe ich am Computer gezeichnet und per Foto-Ätzung aus Messing herstellen lassen. Danach musste ich sie nur noch bemalen und passgenau auf den Radspiegel kleben. Auch an Bug und Heck findet man filigrane Teile aus Messing. Auf der Höhe des Wasserspiegels verläuft eine kleine Messingkette, um Treibgut vom Schaufelrad fernzuhalten. Im Modell funktioniert das natürlich nicht so gut.
Kommen wir noch einmal auf das Schaufelrad zurück. Der Exzenter muss ja irgendwo festgemacht werden und das geht eben nur auf der Außenseite des Rades. Hier habe ich einen kleinen Rahmen angeschraubt, auf dem ein kleiner Klotz aufgeklebt ist. Nun gilt es, den optimalen Punkt für den Exzenterstift zu finden. Man nimmt dazu die Radwelle (noch ohne Rad) und malt das Ende mit Farbe an. Dann drückt man die Welle von innen gegen den Rahmen und schon bildet sich dort ein Punkt. Der optimale Punkt für den Exzenterstift befindet sich etwas weiter vorne und vielleicht auch einen Hauch weiter oben. Man bohrt die Stelle vor und klebt dann den Stift in den Klotz ein. Dann wird das Rad montiert und mit einer Madenschraube gesichert. Zuletzt kommt der Rahmen wieder an seinen Platz. Dabei wird der Exzenter mit dem Stift „verheiratet“. Der Rahmen wird festgeschraubt und schon läuft das Rad – immer schön mit fast senkrechten Schaufeln.